Liebe Leute,
Ihr erinnert euch vielleicht an den letzten Funke, in dem wir über Burnout und Burn-on geschrieben haben – die akute und die chronische Erschöpfungsdepression, ausgelöst durch ein Zuviel an Stress, für das keine angemessenen Bewältigungsstrategien zur Verfügung stehen. Aber nicht nur Überforderung, sondern auch Unterforderung und Langeweile können auf Dauer krankmachen. Dieses Phänomen wurde erstmals 2008 von den beiden Schweizer Unternehmensberatern Rothlin und Werder unter dem Begriff „Boreout“ beschrieben. Was sich genau dahinter verbirgt, welche möglichen Folgen chronische Langeweile haben kann und was man gegen Boreout tun kann, könnt ihr in diesem Funke lesen.
„Ein Mensch möchte aktiv sein, seine Begabungen zur Anwendung bringen, gute Kontakte am Arbeitsplatz haben und vor allem wissen und erleben, dass die Arbeit Sinn macht“, erzählt Professor Andreas Brooks, Chefarzt der Klinik für Psychiatrie in den Helios Kliniken Schwerin. Im letzten Funke haben wir darüber geschrieben, dass es problematisch werden kann, wenn die Identifikation mit und der Einsatz für die Arbeit zu groß werden. Ein hohes Stresserleben, immer mehr Anforderungen, ein immer schnelleres Tempo und das Gefühl, der Arbeit nicht hinterherzukommen – das kennen in unserer Gesellschaft sicherlich viele Menschen gut. Aber nicht wenige Menschen leiden unter dem genauen Gegenteil, nämlich einem Zuwenig an Anforderung, sei es qualitativ durch zu wenig anspruchsvolle Tätigkeiten oder quantitativ durch zu wenig Aufgaben. Boreout könne laut den Helios Kliniken zum Beispiel dann auftreten, wenn eine Person für ihre aktuelle Tätigkeit überqualifiziert ist und/ oder sie das Gefühl hat, qualifizierter zu sein als die eigenen Vorgesetzten, aber es an Einflussmöglichkeiten fehlt, an der Situation etwas zu ändern.
Ruth Stock-Homburg, Professorin für Marketing und Personalmanagement an der TU Darmstadt, beschreibt Boreout als einen negativen psychologischen Zustand von geringer arbeitsbezogener Aktivierung, der sich in beruflicher Langeweile, einer Sinnkrise und fehlenden Möglichkeiten zu persönlichem Wachstum bei der Arbeit ausdrückt. Wer das Gefühl hat, sich bei der Arbeit nicht weiterentwickeln zu können, ist bei seinem Job weniger engagiert bei der Sache und/oder setzt sich weniger für die Ziele des Unternehmens ein. Dies hat für beide Seiten negative Konsequenzen - für ein Unternehmen meist finanzieller Natur. Aber was macht ein Boreout mit den betroffenen Mitarbeiter*innen? Boreout bekommt weniger Aufmerksamkeit als Burnout, obwohl beide dieselben Folgen haben können: Erschöpfung, ein Gefühl von Leere, fehlende Motivation, ein geringer Selbstwert, soziale Identitätskrisen, Angst, Traurigkeit, Depression, Unproduktivität, weniger Kreativität und Konflikte zwischen Anforderungen aus Arbeit und Freizeit. Auch Boreout führt dazu, dass Betroffene gereizt und zynisch werden und sich wertlos fühlen.
Besonders beachtenswert fanden wir die Ausführungen der Techniker Krankenkasse, der zufolge Betroffene häufig Strategien entwickeln, mit welchen sie vortäuschen, dass sie stark ausgelastet sind. Insbesondere dieses „so tun als ob“ sei besonders belastend für das Selbstwertgefühl, die Leistung und die Gesundheit. Folgende Warnsignale können auf einen Boreout hinweisen:
- Erledigung privater Dinge oder Versenden privater Nachrichten an Kolleg*innen in der Arbeitszeit
- Fehlendes Interesse für die Tätigkeiten, Langeweile, Unterforderung
- anderen vorspielen, viel zu tun zu haben
- sich nach dem Arbeitstag kaputt fühlen, auch wenn der Tag eigentlich gar nicht stressig war
- Sinn in der Arbeit fehlt und die betreffende Person fühlt sich unglücklich
- Anliegende Arbeit wird länger hingezogen als nötig
- Gedanken, den Job zu wechseln, aber davor Bedenken haben (z.B. finanzielle Gründe)
Dies könne laut der TK zu einem Teufelskreis führen, wenn längere Phasen von Langeweile und Unterforderung mit einem Leistungsabfall einhergehen. Dieser könne dazu führen, dass die Teamleitung spannende Aufgaben eher an andere Teammitglieder gibt. Das wiederum bewirkt, dass der Frust auf Seiten der unterforderten Person noch wächst; eine innerliche Kündigung kann die Folge sein. Hier gelte es seitens des Unternehmens, darauf zu achten, dass alle Angestellten möglichst gleichermaßen ausgelastet sind. Weiterhin sollte eine Firma darauf achten, dass die Jobanforderungen und Qualifikationen stimmig sind. Außerdem sind flexible Arbeitszeiten sowie die Sensibilisierung des Betriebsrats für das Thema Boreout wichtig, um Betroffenen den Weg zur Unterstützung zu erleichtern.
Dies lohnt sich, denn die gesundheitlichen Folgen von Boreout ähneln denen von Burnout. So schreibt die BKK, dass ein Boreout sich neben den erwähnten psychischen auch durch körperliche Symptome wie häufige Infekte oder Erkältungen, Rückenschmerzen und Verspannungen, Verdauungsprobleme, Herz-Kreislauf-Krankheiten, Schlaflosigkeit, Kopfweh, Tinnitus und Erschöpfung bemerkbar mache.
Deshalb ist der erste Schritt auch, sich selbst zu beobachten und herauszufinden, welche Aufgaben für eine besonders große Langeweile sorgen und welche Symptome sie auslösen, so die BKK weiter. Die Krankenkasse weist auch darauf hin, dass Boreout nicht mit Faulheit oder Arbeitsverweigerung gleichzusetzen sei, und das Phänomen häufig im Gegenteil eher sehr motivierte Personen betreffe. Anschließend empfiehlt sich ein Gespräch mit dem/der Vorgesetzten. Dabei sei es hilfreich, sich vor dem Gespräch zu überlegen, welche Aufgaben dafür sorgen, dass man sich weiterentwickeln kann. Parallel kann es hilfreich sein, sich neben der Arbeit herausfordernde Tätigkeiten zu suchen - zum Beispiel ein neues Hobby zu starten, eine neue Sprache zu lernen oder sich ehrenamtlich zu engagieren. Die BKK empfiehlt darüber hinaus einen „Realitätscheck“ – die betreffende Person kann sich fragen, ob die aktuelle Flaute nur eine Phase ist, wie lange sie mit dieser gut umgehen kann oder ob letztendlich vielleicht doch die Zeit reif ist für eine berufliche Veränderung.
Falls ihr euch in diesem Funke wiedererkannt habt und vielleicht in einer solchen Unterforderungssituation steckt, hoffen wir, dass er euch den Mut macht, einen ersten kleinen Schritt in Richtung Veränderung zu gehen. Wenn ihr das Gefühl habt, allein keinen Ausweg aus der Situation zu sehen und/oder ihr sogar schon gesundheitliche Folgen merkt, wünschen wir euch die Kraft, euch mit euren Sorgen an eine entsprechende Fachperson zu wenden.
In diesem Sinne wünschen wir euch viel Freude, bei dem was ihr tut, sowie viele Möglichkeiten, euch weiterzuentwickeln und über euch hinaus zu wachsen.
Bis bald, Bente und Fenja
Präventionsteam der Brücke Flensburg
PS: Hier findet ihr unsere Quellen zum Nachlesen:
https://www.meine-krankenkasse.de/ratgeber/gesund-leben/psychische-gesundheit/bore-out/
https://www.helios-gesundheit.de/magazin/burnout/news/boreout-versus-burnout/
Abubakar, A. Mohammed, et al. "Burnout or boreout: A meta-analytic review and synthesis of burnout and boreout literature in hospitality and tourism." Journal of Hospitality Marketing & Management 31.4 (2022): 458-503.
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