Liebe Leute,
Und zack, hat uns die dunkle Jahreszeit wieder voll im Griff. Also mehr Zeit zum Lesen und Zeit für eine neue Portion Positive Psychologie: Heute schreiben wir über das Thema Resilienz. Und wer wäre da ein besseres einleitendes Beispiel als Pippi Langstrumpf? Sie ist wohl eines der berühmtesten Beispiele für ein resilientes Kind: Sie wohnt ganz allein mit ihren Haustieren in einer riesigen Villa, ihr Vater ist irgendwo in der Südsee unterwegs, ihre Mutter verstorben – ganz schön viele große Herausforderungen für ihre jungen zehn Jahre. Und trotzdem strotzt sie nur so vor Optimismus, macht ihren Nachbarskindern Mut und hat jede Menge Selbstvertrauen: „Der Sturm wird stärker. Ich auch.“ Wie macht Pippi das? Oder anders gesagt: Was genau ist eigentlich Resilienz? Dieser Frage möchten wir mit der heutigen Ausgabe auf den Grund gehen.
Laut Daniela Blickhan bezeichnet Resilienz „die innere Stärke eines Menschen […], persönliche Lebenskrisen wie zum Beispiel schwere Krankheit, lange Arbeitslosigkeit oder den Verlust von nahestehenden Menschen ohne anhaltende Beeinträchtigung durchzustehen.“ Verschiedene Fachrichtungen haben versucht, eine Definition zu finden.
Michaela Huber, die zu den führenden Traumatherapeut*innen im deutschsprachigen Raum gehört, hat sieben Faktoren der Resilienz bei Erwachsenen beschrieben (s. Grafik). Diese beinhalten verschiedene Ebenen: Optimismus, Akzeptanz und Lösungsorientierung drehen sich um die innere Einstellung und Ursachenzuschreibung einer Person (mehr dazu im vorherigen Funke). Die Übernahme von Verantwortung und das Verlassen der Opferrolle finden eher auf Handlungsebene statt, d.h. sie beziehen sich auf das Verhalten einer Person. Ihr persönliches Umfeld in Form sozialer Unterstützung findet sich in der „Netzwerkorientierung“ wieder. Zukunftsplanung ist eine Mischung aus Einstellung und Vorbereitung des „Ins-Handeln-Kommens.“ Mit diesen verschiedenen Ebenen gibt es also auch unterschiedliche Wege, die eigene Resilienz zu fördern – beispielsweise mit dem Aufbau und Ausbau des eigenen Unter-stützungsnetzes oder der bewussten Entscheidung für zunächst kleine Schritte raus aus der Passivität.
Warum fällt dies Menschen unterschiedlich leicht? Die Biologie erklärt Resilienz mit der Kompetenz unseres Systems, nach einer Stressreaktion, die verschiedene hormonelle Prozesse in Gang setzt, wieder rasch ins Gleichgewicht zu finden. Bei manchen Menschen geht das eher schnell, andere wiederum benötigen mehr Zeit, diese „Alarmreaktion“ hinter sich zu lassen.
Pluess und Belsky fanden heraus, dass Menschen sich auch hinsichtlich ihrer Sensibilität gegenüber positiven Einflüssen unterscheiden. Während frühere Modelle also davon ausgehen, dass resiliente Personen unter belastenden Bedingungen keine Symptome entwickeln, gehen diese beiden Forscher davon aus, dass es Unterschiede in der „Formbarkeit“ bezüglich Umwelteinflüssen und Erfahrungen gibt – egal, ob diese positiv oder negativ sind. Oder anders gesagt: „Formbare“ Menschen besitzen damit einen sogenannten „Empfindlichkeitsvorteil“:
Diese können sich auch eher positiv entwickeln, wenn sie in ihrer Umwelt unterstützende Bedingungen vorfinden. Als Erklärung dafür werden Unterschiede in der Genetik (z.B. hinsichtlich der Aufnahme von Botenstoffen), in der Physiologie (z.B. ab wann der Organismus eine Reaktion zeigt) und im Verhalten (z.B. angeborenes Temperament bei Babies) genannt. (Wer mehr zum Thema sog. „posttraumatisches“ und „postekstatisches“ Wachstum lesen möchte, kann dies hier tun: https://www.spektrum.de/news/was-sagt-die-forschung-zu-posttraumatischem-wachstum/2202398 ).
Der Hirnforscher Richard Davidson entwickelte ungefähr zur selben Zeit eine neurophysiologische Perspektive auf Resilienz. Er legte dabei den Fokus auf „emotionale Schwingungsfähigkeit“ – entscheidend dabei ist nicht nur, dass eine Person auf positive wie negative Ereignisse reagieren kann, sondern auch die Dauer der Reaktion: Hier gilt das Maß der goldenen Mitte: Weder ein lapidares Schulterzucken noch ein langer Verbleib im „Tal der Tränen“ kennzeichnen einen resilienten Umgang. Tatsächlich lässt sich das auch in bildgebenden Verfahren zeigen: Resilienz geht mit einer erhöhten Aktivierung in der linken präfrontalen Großhirnrinde einher.
Auch die Forschung zu Positiven Emotionen gibt Davidson Recht: Laut Barbara Fredrickson und Kolleg*innen erleben resiliente Menschen genauso viele unangenehme Emotionen – entscheidend ist ihr Umgang mit diesen. Sie grübeln nicht so viel und nicht so lange, können sich schneller körperlich von diesen erholen und kommen schneller wieder in ein neutrales oder angenehmes Gefühl zurück. Zudem gelingt es ihnen eher, in komplexen Situationen neben den negativen auch die positiven Komponenten zu sehen. Fredrickson beschreibt daher Resilienz als „Fähigkeit zur Unterschiedswahrnehmung“.
Und die gute Nachricht: Davidsons Forschungsergebnisse beweisen, dass sich Resilienz – beziehungsweise die damit verbundene Hirnaktivierung– fördern lässt, zum Beispiel durch Achtsamkeit oder kognitive Umstrukturierung. Letztere ist eine der zentralen Methoden der kognitiven Verhaltenstherapie, bei der das Ziel darin besteht, für bisher belastende Situationen eine hilfreiche(re) Bewertung zu finden. Also ihr seht, Üben lohnt sich - denn wie Pippi so schön sagt: „das habe ich noch nie vorher versucht, also bin ich völlig sicher, dass ich es schaffe.“ Und wer dabei eine weniger wissenschaftliche Herangehensweise sucht, dem/der sei das Buch „Resilienz: Wie man Krisen übersteht und daran wächst“ von Matthew Johnstone wärmstens ans Herz gelegt.
Bis bald, Bente und Fenja
Präventionsteam der Brücke Flensburg
PS: Mehr zum Thema könnt ihr hier lesen: Blickhan, D. (2018). Wohlbefinden und Flourishing. In Positive Psychologie: Ein Handbuch für die Praxis (S. 29-67). Junfermann Verlag GmbH.
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